Kein Strom und keine Technik: Kinder reisen ins Mittelalter
„Guck mal“, präsentiert Arzu ihr Werk beim Kaltschmieden. In der Hand hält sie eine platte Kupferscheibe. „Das war mal ein Centstück“, erklärt sie und klopft anschließend eifrig mit ihrem schweren Schmiede-Hammer weiter auf die Münze, die vor ihren Augen Schlag für Schlag eine neue Form annimmt. Auch auf die nächste Station, das Töpfern, freue sich Arzu schon: „Ich finde es gut, etwas mit meinen Händen zu machen.“
„Ich mag, dass das so matscht!“
Auch Angelina hat Freude beim Töpfern. Neben zwei Mitschülerinnen dreht sie ihre Töpferscheibe mit der rechten Hand und formt den Ton mit der linken Hand. „Ich mag, dass das so matscht“, sagt sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Zuhause habe sie schon einmal getöpfert. Mit dem fertigen Ergebnis in der Hand erklärt sie: „Das ist eine Schale für Smarties.“ Durch die Wellen am oberen Rand erinnert sie ihre Tonschale von oben an einen Stern.
„So, bitte kommt zum Ende und wascht eure Drehscheiben“, ruft Ole Heimbeck, Mitarbeiter des Naturkundemuseums, den Nachwuchstöpferinnen zu. Als Organisator der Veranstaltung hat er die Uhr im Blick und läutet den Gruppenwechsel an den Stationen ein. Die nächste Station für die drei Schülerinnen ist das Stelzenlaufen. „Du schaffst das“, feuert Anette Sandhaus ihre Schülerin an, die sich das erste Mal beim Laufen mit verlängerten Beinen ausprobiert. Gleichzeitig steht die Lehrerin selbst auf den Stelzen und zeigt, wie es geht. Und tatsächlich schaffen auch die Sechstklässlerinnen ihren ersten Stelzenspaziergang mit einem stolzen Geschichtsausdruck.
Papierherstellung aus Stoffresten
An der Station Nummer 7 konzentriert sich Ryan beim Papierschöpfen. Mit einem eingerahmten Sieb schöpft er langsam und sorgfältig die weißen aufgelösten Stofflappenreste aus dem Wasser. Ganz vorsichtig legt er ein zweites Sieb darauf und zählt laut bis zwanzig, während das Wasser langsam abtropft. „Jetzt muss das Papier noch trocknen, bevor ich es meiner Mama schenke“, verrät der Sechstklässler. „Blau ist ihre Lieblingsfarbe.“ Deshalb hat er auch etwas Wasser mit aufgelösten Jeansresten auf sein Papier gegeben. Der zweite Versuch sieht schon deutlich sicherer aus. Schließlich möchte er auch noch einen selbstgemachten Papierbogen für sich selbst erschaffen.
Annette Sandhaus schaut ihrem Schüler fasziniert zu und erzählt dabei, dass sie diese Möglichkeit in ihrer Schulzeit damals großartig gefunden hätte: „Ich selbst bin ein Landmädchen“, schmunzelt sie. „Bei uns gab es solche Angebote nicht. Es ist toll, dass es in Bielefeld so viele kulturelle Einrichtungen gibt.“ Für die Gesamtschule Rosenhöhe sei es sehr wichtig, dass die Kinder die kulturellen Einrichtungen, wie beispielsweise die Kunsthalle, das Naturkundemuseum oder das Trotz-Alledem-Theater kennenlernen.
Kinder für die Kultur begeistern
„Mein Wunsch ist es, dass Kunst und Kultur etwas Selbstverständliches für die Schülerinnen und Schüler wird“, fährt Annette Sandhaus fort. Die Kunstlehrerin hofft, dass später das ein oder andere Kind einen Platz in der Kulturszene findet und selbst etwas in die Hand nimmt. „Der vierstündige Workshop „Erlebbares Mittelalter“ im Grünen Haus des Naturkundemuseums ist das zweite Kulturerlebnis für ihre sechste Klasse.“ Zuvor war sie mit ihrer Schulklasse bereits im Trotz-Alledem-Theater. „Auch dieser Besuch wird den Kindern lange im Gedächtnis bleiben“, erinnert sie sich begeistert an das Puppenspiel.
Neben dem Naturkundemuseum und dem Trotz-Alledem-Theater haben sich auch das Stadttheater, das Historische Museum und die Kunsthalle Bielefeld zum Ziel gesetzt, junge Menschen für kulturelle Angebote zu begeistern. Unter dem Titel „Cool-Tour-Kids“ bieten die fünf Einrichtungen jährlich ein umfangreiches Programm für Schulklassen. Durch die Förderung der Sparkasse Bielefeld seit rund 10 Jahren können Schulklassen die kulturellen Angebote kostenlos wahrnehmen. „Warum wir dies als Sparkasse tun?“, beantwortet Rahel Neufeld für die Sparkasse: „Weil es bei uns um mehr als Geld geht. Es geht um kulturelle Bildung und gesellschaftliche Teilhabe.“
Kultureller Genuss für Ihre Schulklasse
Schulklassen der Haupt-, Gesamt- und Realschulen und Förderschulen aus den Jahrgangsstufen fünf und sechs haben die Chance kostenlos an den Angeboten teilzunehmen. Anmeldungen koordiniert Projektkoordinatorin Catharina Schütte (Telefon: 0521 133991). Fotos: (c) Sarah Jonek